Eine Pionierin aus der Romandie kreiert stylische Taschen aus alten Postsäcken

Alte Postsäcke, die zum Transportieren von Zeitungen dienten, werden zu neuem Leben erweckt: Sie werden zu stylischen Taschen. Eine tolle Idee und ein echter Hingucker. In Zeiten wo das Recyceln von gebrauchten Sachen sehr angesagt und ökologisch ist, hatte die Schneiderin Susana Baptista aus Neuenburg die geniale Idee, aus den grossen, robusten Postsäcken coole Taschen herzustellen. Das Recycling von Postsäcken hat seinen Weg auch in die Deutschschweiz gefunden, etwa durch ein Beschäftigungsprogramm für Asylsuchende in Basel.

«Die Post gehört zur DNA der Schweiz, sie ist Bestandteil eines jeden Schweizer Haushalts», meint die Schneiderin Susana Baptista aus Neuenburg mit einem breiten Lachen. In Portugal geboren, kam sie als Dreijährige in die Schweiz, wo sie sich später an der Berufsschule in Neuenburg (CPLN) zur Bekleidungsgestalterin ausbilden liess. Nachdem ihre Kinder ausgeflogen waren, griff sie vor fünf Jahren erneut zu Nadel und Faden, um ausgefallene und lässige Kleider zu kreieren. «Was man in den Läden findet, ist oft langweilig, und am Ende sehen wir alle gleich aus.». Es war ihr ausgeprägter Sinn für Kreativität und Individualität, der sie auf die zündende Idee mit den alten Postsäcken brachte, als ein Freund solche auf einem Werkhof entdeckt hatte. «Ich hatte sogleich die Idee, daraus Allzweck-Taschen fürs Einkaufen, für den Strand oder auch für die Arbeit herzustellen, da sich darin problemlos ein Laptop verstauen lässt», erklärt Susana Baptista und weist auch auf die robuste Qualität der Taschen hin.

Seit fünf Jahren erweckt Susana Baptista alte Postsäcke zu neuem Leben, indem sie sie zu Allzweck-Taschen umgestaltet.

Nach etlichen «Hürden, bis der richtige Ansprechpartner bei der Post gefunden war», bestellte sie mehrere Dutzend Säcke für ihre Taschenkreationen, für die sie pro Stück gut vier Stunden aufwendet. «Zuerst muss ich sie waschen, dann nach einem von mir entworfenen Schnittmuster zuschneiden, anschliessend das Innenfutter und die Innenfächer nähen und zum Schluss die Griffe verstärken.» Ein Postsack reicht für die Herstellung einer Tasche. Jede ist ein Unikat und «jede hat ein Leben, eine Geschichte.» Auf der Vorderseite steht «Post», das Originallederband dient als Taschenverschluss, und auf der Innenseite der Tasche findet man das Herstellungsjahr des Sacks, das als Label dient. Die rotblauen Säcke, mit denen die Post die eingeschriebenen Sendungen transportierte und die seit zehn Jahren nicht mehr verwendet werden, sind sogar bereits Sammlerstücke. Susana Baptista ist überglücklich, kürzlich die allerletzten Exemplare ergattert zu haben.

Die Säcke sind nicht nur als Sammler- und Vintagestücke oder trendiges Accessoirs begehrt, sondern werden auch aus ökologischen Gründen geschätzt.

Sammlerstück, Vintage und Trendaccesoir

Wenn die alten, gebrauchten Säcke keine Verwendung mehr finden, werden sie in den Briefzentren gesammelt. Briefe und Zeitungen werden heute meistens in Kisten transportiert. «Seit rund fünfzehn Jahren kaufen wir keine solchen Säcke mehr ein und leeren die Lager», erklärt Kurt Gasser von der Post und ergänzt: «In den neuen Briefzentren finden die Säcke kaum noch Verwendung, da die Transportprozesse für Zeitungen mit den Druckereien geändert wurden.» Kurt Gasser ist zuständig für die Lieferung der alten Säcke, die zu einem bescheidenen symbolischen Stückpreis an interessierte Designer abgegeben werden. Es sind dies vor allem drei, die grosse Mengen bestellen: Susana Baptista, die Pionierin aus der Romandie, ein Beschäftigungsprogramm für Asylsuchende aus Basel und eine Person aus dem Kanton Bern.

Die Postsäcke im Originalzustand. Susana Baptista verwendet immer das Postlogo, das sie in der Mitte ihrer Taschenkreationen platziert, den Lederriemen und den Aufdruck mit dem Herstellungsjahr.

Als Sammler- und Vintagestück oder als angesagtes Accessoir, das ökologisch sinnvoll und nachhaltig ist, wurde die Tasche sogar an einer Modeschau vorgeführt, die von der innovativen Bekleidungsgestalterin in Neuenburg organisiert wurde. Eine Modeschau als toller Werbeauftritt für die Schweizerische Post.

Die Modeschau in Neuenburg, an der die Taschen von Models vorgeführt wurden, war auch für die Schweizerische Post eine tolle Werbung.

  • Informationen online auf Instagram mod_emploi

Recycling in einem Beschäftigungsprogramm für Asylsuchende

 

Auch in Basel besteht Interesse an den alten Postsäcken – beim 1988 gegründeten Beschäftigungsprogramms Rehovot für Asylsuchende, das zwölf Arbeitsplätze bietet. «Wir verarbeiten vor allem Leder und hatten regelmässig viele Lederresten. Vor drei Jahren brachte uns eine Posttasche auf die Idee, Leder zusammen mit Stoff zu verarbeiten und daraus ein nachhaltiges und robustes Recycling-Produkt herzustellen», berichtet Rehovot-Präsident Philippe Waegeli.

 

Die Teilnehmenden des Beschäftigungsprogramms stellen aus den gebrauchten Postsäcken nun Umhängetaschen für Herren und vor allem Shopping-Taschen her. Für Letztere, die in Rot, Blau, Schwarz und Braun angeboten werden, wird der Stoff zugeschnitten, gewaschen und beim Kopieren des Schnittmusters darauf geachtet, dass die Stoffteile ohne Flecken sind. Auch die Lederteile werden zugeschnitten und mit dem Stoff zusammengenäht. Alle Mitarbeitenden können bei diesen Arbeitsschritten irgendwo mit anpacken. Und auf der Rückseite wird eine Etikette angebracht mit den Namen all jener Asylsuchenden, die an der jeweiligen Tasche mitgearbeitet haben. «Ein Zeichen der Anerkennung für die geleistete Arbeit und eine Wertschätzung für sie», meint Philippe Waegeli zufrieden.

 

Dorte zeigt die gebrauchten Postsäcke, aus denen ein recycliertes, nachhaltiges und robustes Produkt hergestellt wird.

 

«Ich habe nähen gelernt und kann jetzt eine Tasche ohne Hilfe zu 100 Prozent selber herstellen. Einige habe ich auch auf Märkten verkauft. Ich bin stolz auf meine Taschen», erklärt Kidane, der aus Eritrea stammt. Dorte aus Nordmazedonien erzählt mit Stolz: «Ich kann meine Kreativität und mein Know-how einsetzen und auch einmal etwas Neues ausprobieren.» Simon, ein Schneider aus Armenien, berichtet: «Ich habe zwei Mitarbeitenden gezeigt, wie man näht und die Leder- und Stoffteile zusammensetzt. Das Finish der Taschen hat sich so deutlich verbessert und ist jetzt perfekt.»

 

An jeder Tasche ist als Wertschätzung für die geleistete Arbeit eine Etikette angebracht mit den Namen jener Asylsuchenden, die an der Herstellung beteiligt waren.

Jährlich verkauft die Werkstatt rund 250 recycelte Postsäcke. Eine treue Kundschaft, die vor allem «Alternatives» liebt, schätzt die Produkte. «Die meisten unserer Taschen verkaufen wir auf Märkten oder Basaren, nehmen aber auch telefonische Bestellungen entgegen, da wir keinen Onlineshop haben», erläutert Philippe Waegeli. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Verkäufe in diesem Jahr wegen des Coronavirus zurückgegangen sind. «Wenn wir die Taschen den Leuten zeigen, finden sie das Konzept sehr sympathisch.» Im Innern jeder Tasche hat es ein kleines Reissverschlussfach für das Portemonnaie. Die Taschen werden in einer Standardgrösse gefertigt, damit sie im Fahrradkorb Platz finden, und können mit einer Lasche geschlossen werden. «Wir erhalten von unseren Kunden viele positive Rückmeldungen. Die Tasche ist eines unserer Vorzeigeprodukte».

 

In der Lederwerkstatt werden auch Umhängetaschen für Männer hergestellt.