Post rechnet mit neuen Allzeitrekord im Dezember

Die Post bewältigt aktuell so viele Pakete wie noch nie. Stefan Luginbühl ist Leiter Paket National/International und zuständig für die ganze Paketverarbeitung bei der Post. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um zu verhindern, dass es zu einem Päckli-Kollaps kommt. Im Interview prognostiziert er einen neuen Allzeitrekord und gewährt Einblick in seine Kristallkugel.

Stefan Luginbühl, die Post ist sich gewohnt, Schwankungen zu bewältigen. Was ist dieses Jahr anders?

Stefan Luginbühl: Es sind zwei Dinge, die dieses Jahr zu einem Jahr machen, das wohl als Leuchtturm in der 170-jährigen Geschichte der Post eingehen wird. Einerseits ist die Zahl der Pakete im Frühling mit dem Lockdown regelrecht explodiert. Zwar sind wir uns Schwankungen gewohnt, aber der Anstieg ist in der Regel viel flacher. Zweitens kommt das Virus an sich hinzu. Es führt zu Ausfällen bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie krank werden, in Isolation oder ihre Angehörigen betreuen müssen. Wir spüren auch Unsicherheit bei unseren Leuten. Die gilt es aufzufangen. Die Pandemie-Situation bringt aber auch mit sich, dass wir eingeschliffene Abläufe und Prozesse verändern mussten.

Stefan Luginbühl ist verantwortlich für die Paketverarbeitung

Stefan Luginbühl ist verantwortlich für die Paketverarbeitung

 

Inwiefern?

Es geht um banale Dinge: Das Beladen unserer gelben Lieferwagen zum Beispiel. Während in normalen Zeiten mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Fahrzeug mit Paketen beladen können, müssen sie es mit Abstand und Maske tun. Auch das Sperrgut stellt uns vor Herausforderungen. Schwere Pakete und Stückgut wie Sofas oder Gartenhäuschen konnten unsere Mitarbeiter nicht mehr zu zweit heben. Auch stehen neu Abschrankungen in den Zentren. Sie stellen sicher, dass alle genügend Abstand voneinander halten. Es ist zentral, dass unsere Mitarbeitenden gesund bleiben. Ohne sie schaffen wir es schlicht nicht.

Was ist heute anders als während des Lockdown?

Einen Lockdown hatte niemand erwartet. Die ganze Logistikwelt stand vor Herausforderungen, die niemand in der Art hat kommen sehen. Frachtflüge fanden kaum mehr statt, auf dem Landweg waren plötzlich Unmengen an Paketen zu transportieren. Lastwagencontainer, sogenannte Wechselbehälter wurden knapp. Wir konnten uns nicht auf die explosionsartig steigenden Paketmengen vorbereiten. Das ist nun anders: Wir erwarten in den kommenden Wochen deutlich mehr Pakete, aber diesmal sind wir besser vorbereitet. Seit Mai planen wir und versuchen alle denkbaren Massnahmen zu ergreifen, um der anrollenden Paketwelle Herr zu werden.

Sie wollen die Paketzahlen voraussehen. Wie soll das gehen?

Wir erstellen Simulationen, ähnlich wie es Meteorologen tun, und sehen so, wann die Zahl der Pakete die Kapazität unserer Anlagen sprengen.

Das Team von Stefan Luginbühl berechnet vorausschauend für jeden Tag die erwarteten Paketmengen.

 

Meteorologen haben Luftdruck und Winde. Mit welchen Faktoren rechnet man bei Ihnen?

Wir wissen dank einer guten Zusammenarbeit mit den Händlern, wann Rabattaktionen geplant sind und mit wie vielen Bestellungen pro Tag sie rechnen. Dann schauen wir uns die Zahlen des gleichen Tages im Vorjahr an. So ermitteln wir die prognostizierte Anzahl der Pakete. Wir rechnen sie für jeden einzelnen Tag aus. Das offenbart uns jene Spitzen, die über unseren Kapazitäten liegen. Wir wissen so, wann wir flankierende Massnahmen brauchen, um die Pakete alle fristgerecht verarbeiten zu können. Dann wollen wir aber wissen, ob die geplanten Massnahmen auch ausreichen würden. Wir geben die Daten in die Simulation ein und sehen so das Resultat. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass unsere Prognosen verlässlich sind. Dies geht aber nur, solange das Leben der Menschen in der Schweiz, berechenbar bleibt. Ein neuer Lockdown würde die Zahlen wieder durcheinanderwirbeln.

Der rote Strich zeigt die Gesamtkapazität alles Paketzentren. Wird diese in den Prognosen überschritten, müssen Stefan Luginbühl und sein Team Massnahmen ergreifen.

 

Womit rechnen Sie?

Der April hat uns den intensivsten Monat in der 170-jährigen Geschichte der Post beschert – ein Allzeitpaketrekord. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Monatsrekord im Dezember erneut knacken. Das ist eine grosse Herausforderung, aber da wir uns vorbereiten können, habe ich ein gutes Gefühl.

Sie sprachen von «flankierenden Massnahmen». Im Grunde könnte man sagen: einfach mehr Personal einstellen, dann klappt das.

Das ist viel zu kurz gedacht. Klar, die Zahl der Hände, die zupacken, sind ein wichtiger Faktor. Wir brauchen aber auch Anlagen, also die Sortierkapazität. Die Anlagen können nicht rund um die Uhr laufen, sind also ein limitierender Faktor. Hinzu kommen die sogenannten Wechselbehälter, die grossen gelben Container auf den Lastwagen und die Rollboxen, in welchen die Pakete transportiert werden. Sie sind in einem ständigen Kreislauf eingebunden. Die Grosshändler füllen sie ab, Lastwagen bringen sie zu uns in die Paketzentren, wo sie ausgeladen werden und dann gehen sie zurück. Wir haben in den letzten Monaten über fünftausend Boxen und mehrere 100 neue Container beschafft. Sie sind aber nicht einfach zu kriegen. Die halbe Welt braucht jetzt mehr davon.

Die Lastwagencontainer (Wechselbehälter) befinden sich in einem Kreislauf zwischen den Grosskunden und der Post.

Die Lastwagencontainer (Wechselbehälter) befinden sich in einem Kreislauf zwischen den Grosskunden und der Post.

Die Pakete werden in den sogenannten Rollboxen angeliefert. Dies sind fahrbare Gitter, die in den Lastwagencontainern verstaut werden können.

Die Pakete werden in den sogenannten Rollboxen angeliefert. Dies sind fahrbare Gitter, die in den Lastwagencontainern verstaut werden können.

 

Was also ist die Lösung?

Wir haben ein ganzes Massnahmenpaket geschnürt, basierend auf der Erfahrung des Lockdown. Die Mitarbeitenden in den Briefsortierzentren leisten einen wichtigen Beitrag, um die Schwankungen der Paketmengen in den kommenden Wochen zu bewältigen. Wie während des Lockdown sortieren sie täglich rund 150 000 Kleinpakete. Das eben neu eröffnete neue Paketzentrum in Untervaz kann mit den drei neuen regionalen Paketzentren (Cadenazzo, Ostermundigen, Vétroz) ca. 160 000 Pakete täglich verarbeiten, das erhöht unsere Kapazität. Zudem haben wir sogenannte Vorsortierstellen eingerichtet. Dort triagieren unsere Mitarbeitende die Pakete so, dass sie direkt ins richtige Paketzentrum fahren und möglichst wenige zwischen den Zentren hin-und herpendeln. Dann helfen aber auch die Grosskunden wieder tatkräftig mit. Auch sie sortieren schon nach Region oder etwa nach Grösse, sodass das Sperrgut zum Beispiel direkt nach Pratteln geht, wo wir es verarbeiten.

Und wenn das nicht reicht?
Wir haben noch andere Massnahmen in der Hinterhand und müssten an den Wochenenden durcharbeiten. Das wollen wir aber nicht bereits heute anordnen. Schliesslich haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstrengende Wochen vor sich, haben einen Ferienstopp. Sie sollen sich erholen können. Nur wenn sie gesund bleiben, gelingt es uns, die Pakete pünktlich zu liefern.

Was wäre für Sie das schlimmste Szenario?

Wenn wir ein Paketzentrum wegen Quarantäne schliessen müssten. Deswegen gehen unsere Schutzkonzepte über die Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit hinaus.

Was, wenn dieser Fall eintritt?

Wenn ein Paketzentrum trotzdem ausfällt, sind wir mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS in Diskussion, dass Zivilschützer einspringen würden.

 

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