Wie die Post im letzten Jahrhundert den Seuchen trotzte

Corona ist nicht die erste Pandemie, welche die Post meistern musste. Wussten Sie, dass Postmitarbeitende während der Maul- und Klauenseuche in die Quarantäne mussten und der Dorfpolizist dann die Post zustellte? Und wussten Sie, dass die Post Filialen vorübergehend schliessen musste, weil die Postangestellten an der Spanischen Grippe erkrankt waren? Das PTT-Archiv lüftet ihre Schatzkiste und gibt Antworten auf die Frage, ob die PTT schon einmal eine mit Corona vergleichbare Krisensituation erlebte und wie sie damit umging.

Unmittelbar beim Bahnhof Köniz, in einer Vorortgemeinde der Stadt Bern, befindet sich das PTT-Archiv. Von aussen ist kaum erkennbar, welche Schatzkammer sich in den Hallen dieses Industriegebäudes eröffnet. Doch das scheinbar winzige und von drei Wissenschaftlerinnen betriebene Archiv verfügt über rund sieben Laufkilometer an Material zur Geschichte der PTT. Eindrücklich, wie sich der Besuch im Archiv erweist. Eindrücklich auch die Geschichten, die Heike Bazak, Leiterin des PTT-Archivs und Barbara Schmutz, wissenschaftliche Mitarbeiterin zum Leben erwecken, wenn sie über die «Seuchen und die Post» berichten.

Kreisschreiben Nr. 4 vom März 1920 zum Umgang mit dem anfallenden Schaden infolge der Maul- und Klauenseuche. I Quelle: PTT-Archiv, P-08A_0010_18

Kreisschreiben Nr. 4 vom März 1920 zum Umgang mit dem anfallenden Schaden infolge der Maul- und Klauenseuche. I Quelle: PTT-Archiv, P-08A_0010_18))

 

Während der Maul- und Klauenseuche desinfizierte die Post Briefe, Pöstler mussten in die Quarantäne und selber bis zur Hälfte für ihre Stellvertretung aufkommen
Genau vor 100 Jahren wurde die Schweiz von der Maul- und Klauenseuche heimgesucht. Besonders betroffen war der Kanton Bern, da es dort viele Landwirtschaftsbetriebe gab. Pöstler und Briefträger waren oftmals auf einen Nebenerwerb angewiesen und führten nebenbei einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb. Während der Seuche durften sie nicht arbeiten gehen, weil sie diese über Schuhsohlen weiterverbreiten konnten. Die PTT hatte dieses Problem auch erkannt und überlegte, wie sie nun damit umgehen wollte, wenn ihre Mitarbeitenden nicht arbeiten durften. Wer trägt nun den Schaden? «Die PTT eigentlich nicht gerne», erzählt Barbara Schmutz. «Im Kreisschreiben Nr. 4 vom März 1920 kann man nachlesen, dass die PTT allenfalls bis zu 50% übernehmen würde, wenn man nicht ein grobes Verschulden feststellen konnte.»

«So musste auch der Pöstler in Suberg BE während der Seuche für drei Wochen aufhören zu arbeiten. Die Gefahr war zu gross, dass er die Seuche weiterverbreitete», ergänzt Heike Bazak. Währenddessen der Posthalter in Suberg BE in Quarantäne weilte, versuchte die PTT eine andere Poststelle aufzubauen. So stellte der Polizist die Post zu, da dieser auch den Status einer «vertrauenswürdigen Person» hatte.

Der Posthalter auf dem Land war gleichzeitig auch Bauer. So musste auch der Pöstler in Suberg BE während der Seuche für drei Wochen aufhören zu arbeiten. Die Gefahr war zu gross, dass er die Seuche weiterverbreitete. I Quelle: PTT-Archiv, Post-199-A0003_Suberg

Der Posthalter auf dem Land war gleichzeitig auch Bauer. So musste auch der Pöstler in Suberg BE während der Seuche für drei Wochen aufhören zu arbeiten. Die Gefahr war zu gross, dass er die Seuche weiterverbreitete. I Quelle: PTT-Archiv, Post-199-A0003_Suberg

 

Wegen der Spanischen Grippe musste die PTT Filialen vorübergehend schliessen
1918, zwei Jahre zuvor, nahm bereits die Spanische Grippe in der Schweiz Einzug. Sie brach direkt nach dem ersten Weltkrieg aus. 25 000 Personen in der Schweiz sind daran gestorben, ein Drittel der Post war massiv von der Grippe betroffen. Der grosse Unterschied zu Corona war, dass vor allem die jungen Leute erkrankten und oftmals daran starben. «Wie bei der Maul- und Klauenseuche – aber hier noch tragischer – konnten Poststellen nicht mehr bedient werden», führt Heike Bazak aus. Die Kreisdirektoren der Post informierten damals per Telegramm über die gekürzten Öffnungszeiten der Poststellen, da Postmitarbeitende krank waren und den Postdienst nicht aufrechterhalten konnten.

Die Kreisdirektion Basel musste drastische Massnahmen ergreifen und informierte per Telegramm über den Schalterschluss in der Poststelle in Solothurn 1. Aufgrund der Grippe war der Schalterschluss und das Hauptbüro nur zu bestimmten Zeiten geöffnet, weil das Personal schlichtweg nicht da war. I Quelle: PTT-Archiv, PAA 00723_4

Die Kreisdirektion Basel musste drastische Massnahmen ergreifen und informierte per Telegramm über den Schalterschluss in der Poststelle in Solothurn 1. Aufgrund der Grippe war der Schalterschluss und das Hauptbüro nur zu bestimmten Zeiten geöffnet, weil das Personal schlichtweg nicht da war. I Quelle: PTT-Archiv, PAA 00723_4

 

Heike Bazak und Barbara Schmutz wüssten noch viel mehr zu erzählen. Mehr zum Thema «Spanische Grippe» hat das PTT-Archiv auf Wikimedia aufgeschaltet: Category: PTT-Archiv – Jahresdossier Landesstreik und Spanische Grippe 1918.

 

PTT-Archiv

Das PTT-Archiv sichert die Geschichte der Post, Telegrafie und Telefonie (PTT) in der Schweiz. Es ist das historische Unternehmensarchiv der Schweizerischen Post und Swisscom, den PTT-Nachfolgeunternehmen (1849-1997). Das PTT-Archiv ist organisatorisch dem Museum für Kommunikation angegliedert.

 

Kontakt:

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Sägestrasse 77
3098 Köniz
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