Vermissen Sie eine Urinprobe?

Fehlt Ihnen ein Sony-Fernseher? Eine Luxus-Uhr mit einem schmeichelhaften Männerportrait, ein Hammer oder ein Hausschlüssel? Möglicherweise befindet sich der vermisste Gegenstand in der zentralen Fundstelle der Post in Chiasso (TI). Im Jahr 2018 landeten in den Lagerhallen der Post rund 17 000 Fundobjekte aus der ganzen Schweiz – sie konnten weder dem Empfänger zugestellt, noch dem Absender retourniert werden. Oftmals vermisst sie niemand.

Die Uhr ist bereits weg – mit Unterstützung der Post und etwas Glück fand das ausgefallene Luxus-Accessoire schon bald das Handgelenk seines saudi-arabischen Besitzers. Zusammen mit seinem Bruder liess sich dieser an der Uhrenmesse «Basel World» eine Sonderanfertigung erstellen. Aufgrund eines Missverständnisses zwischen den Kurieren erreichte jedoch nur eines der beiden Unikate seinen Besteller. Erzürnt liess der Kunde die Uhrenfirma wissen, dass sein Bruder das Souvenir aus der Schweiz nun stolz vorführe, während er in Ungewissheit zusehen muss.

Fundgegenstände aus der ganzen Schweiz füllen die Regale in der zentralen Post-Fundstelle in Chiasso (TI).

Fundgegenstände aus der ganzen Schweiz füllen die Regale in der zentralen Post-Fundstelle in Chiasso (TI).

 

Die Geschichte hatte ein gutes Ende – sie ist nur eine von vielen, die Anna Visconti, Verantwortliche beim Kundenservice für die zentrale Fundstelle, über Fundgegenstände bei der Post erzählen kann. «Uns überrascht nichts mehr. Im Jahr 2018 hatten wir sogar Goldbarren und eine Tauchausrüstung für mehrere Personen. Einmal sah es bei uns aus, als hätte ein Lastwagen für ein Spielwarenhaus seine gesamte Ladung verloren», erzählt sie lachend. Durchschnittlich können rund 30 Prozent der Fundgegenstände schlussendlich einem Besitzer zugeordnet werden. Die restlichen 70 Prozent werden nicht gesucht oder konnten nicht bei der Post geortet werden.

Auch Medikamente und Nahrungsergänzungspräparate liegen in der zentralen Fundstelle der Post in Chiasso (TI).

Auch Medikamente und Nahrungsergänzungspräparate liegen in der zentralen Fundstelle der Post in Chiasso (TI).

 

Rosenkrieg via Post

Wie kann etwas bei der Post verloren gehen? Aus mehreren Gründen kommen Sendungen in die zentrale Fundstelle in Chiasso. Entweder kann die Post weder Empfänger, noch Absender ermitteln, weil zum Beispiel die Sendung falsch adressiert ist. Oder Absender und Empfänger weigern sich beide, die Sendung zu empfangen respektive zurück zu nehmen. So wurde die zentrale Fundstelle kürzlich in einen Rosenkrieg verwickelt, als sich ein Paar in der Scheidung persönliche Gegenstände zuschickte und gegenseitig ihre Annahme refüsierte. Wenn kleine Gegenstände wie Schlüssel oder USB-Datenträger falsch verpackt sind, kann es sein, dass sie durch die Sortiermaschinen aus der Verpackung herausgerissen werden (wie Sie Sendungen richtig verpacken, finden Sie hier). Oder sie rutschen in den schweizweiten Brief- und Paketzentren der Post unbemerkt vom Förderband.

Daten sind in sicheren Händen

Die zentrale Fundstelle der Post erfasst alle gefundenen Gegenstände in einer zentralen Datenbank, diese ist minutenaktuell. So kann der Kundendienst direkt überprüfen, ob das Gesuchte bereits gefunden wurde. «In der Regel melden sich Kunden innerhalb von drei Monaten bei uns», so Visconti. Gemäss den AGB muss die Post die Gegenstände ein Jahr aufbewahren. «Aus datenschutzrechtlichen Gründen darf die Post keine Datenträger wie zum Beispiel Memory-Sticks überprüfen, um den Besitzer zu ermitteln. Diese entsorgt die Post später fachgerecht», präzisiert Visconti. Neben Datenträgern landen die folgenden Dinge am häufigsten in Chiasso:

  1. USB-Datenträger, Schlüssel, Bank- und Zutrittskarten aus Plastik
  2. Kleiderwaren
  3. Elektrowaren wie Fernseher, Radios, Kabel
  4. Spielsachen
  5. Laborproben (Urin, Blut etc.)
  6. Handwerkliche Geräte
  7. Autozubehör

Seit rund 20 Jahren verwaltet die zentrale Fundstelle der Schweizerischen Post in Chiasso Sendungen oder Teile davon, deren Empfänger und Absender unbekannt sind. Weil immer mehr Menschen Pakete versenden, sind die Platzverhältnisse in Chiasso an ihre Grenzen gestossen. Deshalb zieht die Fundstelle im Frühjahr 2020 innerhalb des Kantons Tessin von Chiasso nach Cadenazzo um. Dort werden Räumlichkeiten der heutigen Distributionsbasis für Pakete frei. «Wir sind froh, wenn sich unsere Kunden nach ihren Sendungen erkundigen – es lohnt sich», fordert Visconti auf. Dazu kontaktieren Kunden am besten das Contact Center der Post oder füllen das Online-Formular aus.

 

 

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