Tatort Vorgarten – Sind Hundebisse an Pöstlern Mythos oder Fakt?

Die Vorgärten der Schweizerinnen und Schweizer haben es in sich. Diese Erfahrung machte nicht nur Globi, als er 1997 für seinen Pöstler einsprang, der über einen verhängnisvollen Gartenschlauch stolperte und für ein paar Wochen arbeitsunfähig war. Nein. Globi begegnete auch hie und da einer zähnefletschenden vierbeinigen Bekanntschaft und überwand geschickt die knurrenden Hindernisse, um die Post zustellen zu können. Da stellt sich die Frage: wie erleben denn die Pöstlerinnen und Pöstler im richtigen Leben die Begegnungen mit den Hunden? Wir haben nachgefragt.

Nachgefragt bei Gaby Fedier in Göschenen. Die ehemalige Posthalterin vom Dorf am Fusse des Gotthards, arbeitet seit über 30 Jahren für die Post. Ihre Zustelltouren führen durch die neu entstandenen Gassen rund ums Chedi in Andermatt bis hinauf auf den Sustenpass im Meiental, wo bereits der erste Schnee liegt. «Hunde begegne ich unzähligen auf meinen Touren. Aber noch nie hat mich einer gebissen», sagt die Pöstlerin nicht ohne Stolz. Aus Erfahrung meidet sie aber Gärten, in denen Hunde frei herumlaufen. So vermeidet sie, dass sie ins Revier eindringt, wenn der Hund frei läuft. Der Vorteil sei, dass sie keine Angst vor pelzigen Begegnungen habe. Und als Tipp an ihre Kolleginnen und Kollegen in der Zustellung verrät sie, dass sie immer ein «Gutzeli» für die Hunde dabei habe.

 

Gaby Fedier mit Hund I © Fabian Biasio. Darf nicht als Pressebild verwendet werden.

Gaby Fedier: «Ein Tierpsychologe sagte mir einmal: `in der Wahrnehmung der Hunde komme und gehe der Pöstler und komme einfach nie Kaffee trinken. Das bestätige dem Hund, dass der Pöstler auf der Flucht sei und greife ihn deshalb an.’»

Doch nicht überall sehen die Pöstler die Begegnungen mit Hunden so gelassen
In der Region Baden haben die Hunde bei den Zustellerinnen und Zustellern der Post besonders oft zugebissen. So organisierte Janine Schmid von der Zustellregion Baden aus eigener Initiative einen Hundekurs. Das war vor fünf Jahren. Der halbtägige Kurs zum Umgang mit den Vierbeinern stiess bei den Mitarbeitenden auf reges Interesse. Statistisch gesehen greift etwa zweimal pro Woche ein Hund einen uniformierten Pöstler an. Ein solcher Vorfall ist im Einzelfall kein Zuckerschlecken. Der Schock sitzt bei den betroffenen Personen tief. Das stellte sich an diesem Kurs heraus, den Janine Schmid zusammen mit einem Hundetrainer insgesamt zweimal durchführte.

 

Bild Zustellerin mit Hund I © Die Schweizerische Post Die Zustellerinnen und Zusteller konnten sich im Kurs «Umgang mit Hunden – Prävention Hundebiss» über ihre Erfahrungen mit Hunden austauschen und durften auch die Begegnung mit einem Hund üben. «Das gab den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer Sicherheit und das richtige Rüstzeug für die Begegnungen mit Hunden auf ihren Touren», sagt die Post-Hundeflüstlerin Janine Schmid.

Bild Zustellerin mit Hund I © Die Schweizerische Post

Die Zustellerinnen und Zusteller konnten sich im Kurs «Umgang mit Hunden – Prävention Hundebiss» über ihre Erfahrungen mit Hunden austauschen und durften auch die Begegnung mit einem Hund üben. «Das gab den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer Sicherheit und das richtige Rüstzeug für die Begegnungen mit Hunden auf ihren Touren», sagt die Post-Hundeflüstlerin Janine Schmid.

 

Und weshalb reagieren denn Hunde auf Pöstler teilweise mit aggressivem Verhalten?
Anja Papenberg, Hundetrainerin von Martin Rütter DOGS in Winterthur/Kloten, sagt dazu, dass viele Hunde ganz einfach aufgrund des seltsamen Erscheinungsbildes wegen der Uniform verunsichert seien: «Die Uniformträgerinnen und –träger haben vielfach auch ein selbstsicheres Auftreten. Und beim Postboten kommt zudem noch ein erschwerender Faktor hinzu: die sogenannte territoriale Motivation». Die Hunde hätten je nach Rasse und Veranlagung ihr eigenes Bewusstsein für ihr Revier und wer sich dort aufhalte oder aufhalten dürfe.

Bild Anja Papenberg mit Hund I © Martin Rütter DOGS Winterthur/Kloten

 «Jede Person, die nicht zum eigenen Sozialverband gehört, ist immer erst einmal ein Eindringling, der dann meist vehement vertrieben werden muss. Die Besonderheit beim Postboten ist nun, dass dieser in Hundeaugen offensichtlich beratungsresistent ist. Denn er kommt ja jeden Tag wieder. Nicht selten steigert sich somit die Aggressivität des Hundes», sagt die Tierpsychologin Anja Papenberg.

 

Für die tägliche Arbeit der Pöstlerinnen und Pöstler heisst es wachsam sein
Da der Kontakt mit Hunden bei der täglichen Arbeit unvermeidbar ist, schenkt die Post dem Thema besondere Aufmerksamkeit. Die Post weist in Schulungen für neue Mitarbeitende auf die potentielle Gefahr von Hunden hin. Dazu gibt sie ihnen eine Broschüre über die Sicherheit am Arbeitsplatz ab, in der ein eigenes Unterkapitel dem «Umgang mit Hunden» gewidmet ist. Mit den hilfreichen Tipps können die Pöstlerinnen und Pöstler aggressives Verhalten von Hunden vorbeugen und im Ernstfall richtig reagieren. So sollen die Mitarbeitenden in der Zustellung unter anderem hektische Bewegungen vermeiden, nicht wegrennen, sondern ruhig stehen bleiben und so für das Tier uninteressant werden. Ein Hund nehme sie nur als Gefahr wahr, wenn er sich bedroht fühle, steht weiter in der Broschüre. Bei zu hoher Gefahr durch einen Hund, kann die Zustellung zu diesem Kunden eingestellt werden. – Globi jedenfalls hat über 20 Jahre später in seinen neuen Abenteuern bei der Post den Hunden das Apportieren beigebracht und sie soweit erzogen, dass sie den Erhalt der Pakete signieren. Das soll die Pöstlerinnen und Pöstler zuversichtlich stimmen.

 

Zahlen und Fakten

Statistisch gesehen verunfallen Postbotinnen und -boten durchschnittlich zweimal pro Woche durch Bisse von Tieren. Die Zahlen, die die SUVA in der Unfallstatistik ausweist, sind seit den 1990er Jahren stark zurückgegangen. Ein wesentlicher Grund mag sein, dass sich die Briefkästen der Kundinnen und Kunden nicht mehr beim Haus befinden, sondern gemäss der Eidgenössischen Postkommission (PostCom) an der Grundstückgrenze. Somit müssen die Postbotinnen und -boten gar nicht mehr ins Revier der Hunde eindringen und können so bissige Begegnungen vermeiden.