Nichtstun ist keine Option
Henok Afewerki absolvierte als einer der ersten Flüchtlinge die Integrationsvorlehre in der Schweiz. Heute ist der 23-jährige Eritreer auf bestem Weg zum Eidgenössischen Berufsattest (EBA) als Logistiker. Die Post unterstützte als Pilotbetrieb das Projekt des Bundesrats von Anfang an. Der Lernende schildert seine Erfahrungen mit dem Integrationsprojekt und Mario Gattiker, Staatssekretär für Migration, ordnet das Engagement der Post ein.
Im Dezember 2015 beschloss der Bundesrat, anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in der Schweiz beruflich schneller und nachhaltiger zu integrieren. Deshalb lancierte er ein vierjähriges Pilotprojekt, das Flüchtlinge mit einer «Integrationsvorlehre» auf den Berufseinstieg in der Schweiz vorbereitet. Seit 2016 bot die Post insgesamt 34 Plätze für die einjährige Integrationsvorlehre an, neun davon im Paketzentrum Härkingen. Absolventen dieser Integrationsvorlehre fanden im Anschluss eine Beschäftigung – auch bei der Post.
Der junge Eritreer Henok Afewerki absolvierte als einer der ersten die Integrationsvorlehre. Er floh mit 18 Jahren allein in die Schweiz. Für ihn war von Anfang an klar: Den ganzen Tag nichts Sinnvolles tun ist keine Option. Bereits im Aufnahmezentrum in Chiasso engagierte er sich als Übersetzer, weil er ein bisschen Englisch spricht – eine Lokalzeitung habe deshalb über ihn berichtet, erzählt der 23-Jährige. Später kam er nach Solothurn und über das Beratungs- und Informationszentrum dann zum Vorlehrvertrag bei der Post.

Henok Afewerki (rechts im Bild) mit seinen Kollegen aus der Integrationsvorlehre bei der Post.
In seiner Heimat hatte der junge Mann bereits eine Arbeit: Er ist gelernter Automechaniker. Ein schüchterner Typ mit einem freundlichen Lächeln, der einem zuvorkommend die Tür öffnet. Die Arbeitskleidung der Post trägt er mit Stolz, «so sehen gleich alle, dass ich eine Arbeit habe». Er werde oft von anderen Flüchtlingen angesprochen und um Ratschläge gebeten. Dank ihm fand ein Freund bei einem Automechaniker in der Region eine Anstellung.
Er sei gerne ein Vorbild, der andere motiviere und Mut mache, beruflich Fuss zu fassen. Auch für Samuel Kropf, seinen Berufsbildner, ist der 23-Jährige ein vorbildlicher Mitarbeiter: «Henok ist zuverlässig und packt gerne im Betrieb an».
Ob ihn seine Lebensgeschichte Eigenschaften für den heutigen Berufsalltag als Logistiker gelehrt habe? Körperliche Belastung kannte er bereits von seiner früheren Tätigkeit mit der Karosserie, sagt er. Die lange und gefährliche Reise nach Europa habe ihm Durchhaltevermögen und Verantwortung beigebracht. «Damals, vor fünf Jahren, war ich noch ein Kind. Jetzt habe ich einen Bart» fügt er lachend hinzu. Besonders gut gefalle ihm der Umgang mit den anderen Lernenden bei der Post. Er habe viel Spass mit den Kollegen bei der Arbeit, fügt er lächelnd bei. Viel Lob hat Henok Afewerki auch für seinen Berufsbildner übrig: «Sämi hilft mir viel. Sehr viel».
Sprache als grösste Herausforderung
Die grösste Herausforderung in seiner Ausbildung sei das Deutsch. Am Anfang war seine Lernkurve steil, doch jetzt geht es ihm nicht schnell genug vorwärts. «Ich kann mir gewisse Wörter einfach nicht merken» fügt er ehrgeizig hinzu. Die Schwierigkeiten lässt er sich nicht anmerken, es macht vielmehr den Anschein, dass der junge Mann seine Worte mit Bedacht wählt, anstatt hilflos nach dem richtigen Ausdruck zu suchen. In seiner Freizeit schaut Afewerki möglichst viele Filme in Deutsch, um die Sprache zu lernen. Oder er besucht seinen Bruder, der ebenfalls in der Region wohnt und arbeitet.

Henok Afewerki (links im Bild) schliesst bald seine Lehre bei der Post als Logistiker ab.
In weniger als einem Jahr besitzt Henok Afewerki das Eidgenössische Berufsattest. Danach hofft er auf eine Festanstellung bei der Post. Und vielleicht später mal auf ein berufsbegleitendes Studium. «Schritt für Schritt» sagt er mit leuchtenden Augen.
«Das Potenzial ist gross»
Mario Gattiker ist Chef des Staatssekretariats für Migration (SEM). Im Kurzinterview ordnet der Staatssekretär das Engagement der Schweizerischen Post im Bereich der Integration ein und stellt der Post ein gutes Zeugnis aus.
Herr Gattiker, weshalb ist die Integrationsvorlehre wichtig für die Schweiz?
Die Schweiz hat ein ausgezeichnetes Berufsbildungssystem. Daran knüpft das Pilotprogramm «Integrationsvorlehre» an, indem anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen, die Berufserfahrung oder eine Ausbildung aus dem Herkunftsland mitbringen, gezielt auf eine Berufslehre vorbereitet werden. Die Integrationsvorlehre bietet so für Unternehmen und Teilnehmende Chancen: Unternehmen können motivierte Lernende (und später Mitarbeitende) gewinnen; die Teilnehmenden können sich dank einer anschliessenden Berufslehre längerfristig im Arbeitsmarkt integrieren und beruflich weiterentwickeln. Mit dem Pilotprogramm soll auch die finanzielle Selbständigkeit der Flüchtlinge verbessert, und so die öffentliche Sozialhilfe entlasten werden.
Wie beurteilen Sie das Engagement der Post bei der Integrationsvorlehre?
Die Post hat sich bereits in einer frühen Phase, als die Integrationsvorlehre noch entwickelt wurde, in einem Vorpilot zur beruflichen Integration von Flüchtlingen engagiert. Heute setzt sie sich in verschiedenen Kantonen für die Integrationsvorlehre ein. Ich schätze dieses Engagement sehr, und danke der Post und allen Mitarbeitenden und Verantwortlichen, die hierzu einen Beitrag leisten, ganz herzlich.
Was würden Sie sich von der Post für die Zukunft wünschen?
Die Post nimmt ihre soziale Verantwortung wahr. Sie war beispielsweise mit ihrem Projekt im Verteilzentrum Härkingen eine der ersten Unternehmen, die Flüchtlinge nahe an der Praxis auf eine Berufslehre vorbereitet haben. Es ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit mit der Post weiterentwickeln können. Es gibt viele motivierte Flüchtlinge, die auf eine Chance warten. Das Potenzial ist gross.
Die Post will ihre soziale Verantwortung in der Schweiz wahrnehmen und bietet deshalb die Integrationsvorlehren an. «Als einer der grössten Arbeitgeber sind wir in einer Vorzeigerolle», sagt Roland Scheidegger, Ausbildungsleiter Grundbildung Logistik und Unterhalt der Post. Die berufliche Vielfalt und Diversität bei der Post mache eine Integration einfacher – und das Unternehmen profitiere von Nachwuchs. «Ziel ist es, die richtigen Leute am richtigen Ort zu integrieren», fügt Scheidegger hinzu.
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