Modeschau? Wenn der Pöstler zum Mannequin wird

Morgens auf Tour, abends in einer völlig anderen Welt: Bei der Post tauschen Pöstlerinnen und Pöstler nach getaner Arbeit ihre Arbeitskleider mit dem Mikrofon, posieren vor der Kamera oder spielen auf der Bühne. Wie bringen sie ihren Beruf und ihre Leidenschaft für Kunst unter einen Hut?

 

Manuela Lüscher-Burri: «Ich arbeite sehr gern im Freien. Zudem schätze ich die Eigenverantwortung und die Teamarbeit. Hier in Veltheim kennen wir uns alle, wir duzen uns.»

Manuela Lüscher-Burri: «Ich arbeite sehr gern im Freien. Zudem schätze ich die Eigenverantwortung und die Teamarbeit. Hier in Veltheim kennen wir uns alle, wir duzen uns.» | Photos: zvg

 

Noam Huber: «Ich mag den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, die Möglichkeit, meine Touren selbst einzuteilen, das Arbeiten im Freien und die Bewegung in der Natur.»

Noam Huber: « Ich mag den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, die Möglichkeit, meine Touren selbst einzuteilen, das Arbeiten im Freien und die Bewegung in der Natur».

 

Patrick Lucadamo: «Das Arbeiten im Freien und der Kontakt mit anderen Menschen gefallen mir am besten. Zudem schätze ich die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit.»

Patrick Lucadamo: « Das Arbeiten im Freien und der Kontakt mit anderen Menschen gefallen mir am besten. Zudem schätze ich die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit».

 


Manuela Lüscher-Burri, 41,
arbeitet seit elf Jahren bei der Post, aktuell in Veltheim (AG). 2015 packte sie der Theatervirus. Manuela Lüschers türkisgrünen Augen leuchten, wenn sie von ihrem ersten Auftritt erzählt: «Es waren noch fünf Wochen bis zur Premiere der Komödie ‹Chrampf im Altersheim›.» Die Hauptdarstellerin war krank, ein Ersatz musste her. «Ich hatte nur wenig Zeit, um meinen Text zu lernen. Ich spielte eine Coiffeuse. Als ich auf der Bühne stand, war ich wie gelähmt, aber nach den ersten Sätzen kamen die Worte von ganz allein …» Seither wirkt Lüscher regelmässig in Komödien mit, zur grossen Freude des Publikums. «Der Applaus und die Komplimente der Zuschauer sind meine grösste Motivation», sagt die Autodidaktin, die noch nie Schauspielunterricht hatte. Im März spielte Manuela Lüscher die Hauptrolle in der erfolgreichen Krimikomödie «Laras Plan». Zu den Darstellern gehörte auch ihr Partner, der ebenfalls bei der Post arbeitet. Dort haben sie sich an einer internen Schulung kennengelernt

In ihrem Element: Manuela Lüscher-Burri auf der Bühne

Manuela Lüscher-Burri auf der Bühne in einer dramatischen Szene

Manuela Lüscher-Burri, woher kommt diese Leidenschaft für die Bühne – was gefällt Ihnen daran, in eine andere Rolle zu schlüpfen?
Manuela Lüscher-Burri: «Bereits als Kind war ich begeistert von den Bauernschwänken, die auf dem Estrich eines Restaurants in Murgenthal aufgeführt wurden. Ich bin sehr vielseitig und spiele gern unterschiedliche Charaktere. Am meisten fasziniert es mich, wenn die Rolle, die ich spiele, so rein gar nichts mit meiner eigenen Persönlichkeit zu tun hat.»

Gibt es Parallelen zu Ihrer Arbeit als Zustellerin?
«Ja, eindeutig, ein gutes Gedächtnis ist extrem wichtig: So, wie ich meine Texte auswendig lerne, kenne ich auch all meine Zustelltouren auswendig. Und ich musste noch nie auf meinen Scanner schauen … Auch die Tatsache, dass ich mich vor Publikum wohlfühle und sehr kontaktfreudig bin, ist in beiden Welten von Vorteil. Allerdings gibt es auch einen Unterschied: Als Zustellerin kann ich mich selbst sein, muss keine Rolle spielen.»

 

Noam Huber: «Die Tattoos sind mein Markenzeichen.»

Noam Huber : «Die Tattoos sind mein Markenzeichen».

Noam Huber, 29, arbeitet seit elf Jahren bei der Post in Estavayer-le-Lac (FR). Mit 17 Jahren kam Noam Huber zum ersten Mal mit der Welt der Mode in Kontakt. Seine Mutter meldete ihn zur Mister-Schweiz-Wahl an, bei der er das Finale erreichte. Wenig später unterzeichnete er verschiedene Modelverträge bei Agenturen in der Schweiz und in Frankreich. Auf Anraten eines Fotografen nahm Noam Huber Schauspielunterricht, um auf den Aufnahmen noch unterschiedlichere Facetten und Ausdrücke zeigen zu können.

Machen die Kunden Bemerkungen über sein gutes Aussehen? Noam Huber lächelt: «Das kommt manchmal vor. Ich freue mich immer, wenn mich Kunden wiedererkennen, nachdem ich für eine Zeitschrift oder Zeitung posiert habe.»

Aktuell ist Noam Huber im Vaterschaftsurlaub und nimmt sich eine Auszeit von seiner Modelkarriere. Doch Ende Jahr will er wieder ins Modelbusiness einsteigen.

Noam Huber, woher kommt Ihre Leidenschaft für Mode, wie haben Sie Gefallen am Modeln gefunden?
Noam Huber: «Ich posiere gern und setze meinen Körper gern in Szene. Das ist meine verführerische Seite. Modeln ist für mich Hobby und Leidenschaft zugleich. Natürlich braucht es dafür einen ästhetischen Körper. Aber auch die künstlerische Seite der Fotos, eine vielfältige Mimik und die Emotionen, die man mit einem Foto transportiert, sind wichtig.»

Welche Parallelen gibt es zu Ihrer Arbeit als Zusteller?
Ich sehe mehrere Berührungspunkte: Beide Tätigkeiten sind sehr körperlich und verlangen eine gute Kondition. Viel Sport zu treiben und im Fitnessstudio zu trainieren, hilft mir dabei, meinen Körper für das Modeln zu formen. Aber es verschafft mir auch eine gewisse Ausdauer auf den Touren. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Selbstständigkeit, die man bis zu einem gewissen Grad sowohl als Model als auch als Zusteller hat.»

 

Patrick Lucadamo: «Die Zeiten, in denen ich Promotion mache und regelmässig Konzert gebe, sind etwas schwieriger zu managen. In diesen Zeiten kommt der Schlaf ein wenig zu kurz.»

Patrick Lucadamo: « Die Zeiten, in denen ich Promotion mache und regelmässig Konzert gebe, sind etwas schwieriger zu managen. In diesen Zeiten kommt der Schlaf ein wenig zu kurz.»

Patrick Lucadamo, 36, arbeitet seit 1998 bei der Post in Bellinzona (TI). Schon sehr früh begann er damit, eigene Lieder zu schreiben. Als Schüler verliebte er sich in eine Klassenkameradin und komponierte einen Song. «Das Mädchen hat es nie erfahren, denn ich habe mich nicht getraut, ihr das Lied zu zeigen.» Doch diese Episode aus seiner Kindheit motivierte ihn dazu, weiterzumachen. 2003 war ein von Patrick Lucadamo komponierter Song («Incantato») ein Riesenerfolg und wurde von allen italienischsprachigen Radiosendern gespielt. 2004 nahm Patrick Lucadamo am Wettbewerb «Sanremo Giovani» teil. «Das war eine wichtige Erfahrung», erinnert er sich. «Viele Kundinnen und Kunden haben mich im Fernsehen gesehen und mir gratuliert.» Bis heute wurden 16 seiner Songs veröffentlicht, und er hat drei CDs produziert. 2018 hat er rund 20 Konzerte gegeben.

Im Song «Coincidenze» singt Lucadamo davon, wie er auf einer seiner Touren seiner heutigen Lebensgefährtin begegnete. Was darauf hindeutet, dass im Klischee vom romantischen Postboten ein Körnchen Wahrheit steckt …

Woher kommt Ihre Leidenschaft für die Musik? Und was gefällt Ihnen daran, auf einer Bühne zu stehen und zu singen?
Patrick Lucadamo: «Ich wollte schon immer erzählen, was ich empfinde, und meine Gefühle in Worte fassen, indem ich Songs daraus mache. Mit der Musik kann ich meine Gefühle besser ausdrücken. Musik ist für mich wirklich eine Passion, keine Arbeit. Der beste Beweis ist der Umstand, dass der Erlös aus meinen CD-Verkäufen kaum die Unkosten deckt.»

Gibt es Parallelen zu Ihrer Arbeit als Zusteller?
«Draussen an der frischen Luft zu arbeiten, regt meine Kreativität an. Die Natur, die verschiedenen Landschaften und die schöne Aussicht wirken inspirierend und liefern mir Ideen für meine Songs.»