«Früher hatten wir regelmässig Muskelkater»

Seit bald zwei Jahren fahren für die Briefzustellung der Schweizerischen Post ausschliesslich Elektro- anstatt Bezinroller. Die Mitarbeitenden empfingen die dreirädrigen Fahrzeuge mit Skepsis – heute sind sie aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. So sind die «DXP» nicht nur sicherer und effizienter, auch erfordern sie weniger Kraftaufwand. Neue Lernende bei der Post bilden sich bei ihrem ersten Fahrunterricht selbst ein Urteil.

Ende Jahr 2016 tauschte die Post den letzten benzinbetriebenen Post-Roller gegen ein Elektromodell der Schweizer Firma «Kyburz» aus. Das Besondere am neuen Zustellungsfahrzeug der Post: Bis anhin war das dreirädrige Gefährt auf Schweizer Strassen vor allem als Seniorenfahrzeug bekannt. In enger Zusammenarbeit entwickelten die Post und der Hersteller die Fahrzeuge des Typs «DXP» für die Anforderungen des Postalltags weiter. So trotzen die modifizierten Dreiradroller heute nicht nur Schnee oder steilen Strassen – sie ziehen im Anhänger auch rund dreimal so viel Ladung wie ihre Vorgänger und sind praktischer in der Handhabung. Schweizweit stehen rund 6000 solcher Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h für die Postzustellung im Einsatz. Je nach Zustellungstour reicht eine Akkuladung für die Fahrt zu 1’000 Einfamilien-Haushalten und eine Gesamtstrecke von bis zu 60 km. Neue Lernende in der Zustellung der Post haben in ihrer zweiten Ausbildungswoche die Möglichkeit, den DXP beim Fahrunterricht zu testen. Sie sind überrascht, was sie in Zukunft beim Fahren alles beachten müssen – und wo sie sich auf die Unterstützung des DXP verlassen können.   

Elektrisches Zustellungsfahrzeug der Post

Berufsbildner Steve Bauen zeigt den beiden Lernenden Jessica und Junia, was sie beim elektrischen Zustellungsfahrzeug «DXP» beachten müssen.

 

Reaktionsfreudiges Stadtfahrzeug

Die 16-jährige Jessica, in Meiringen bereits mit dem Roller unterwegs, ist besonders gespannt auf das Fahrerlebnis mit dem motorisierten Dreirad. Sie wird nicht enttäuscht: «Der DXP ist total ‘gäbig’. Nicht nur bequemer als mein Roller zuhause, sondern auch viel leichter zu bremsen». Anfänglich zeigt sie vor den Übungen mit der Vollbremsung Respekt, doch als Fahrzeug und Anhänger nicht schleudern, nimmt der Fahrspass rasant zu. Auffallend ist auch, wie schnell und kraftvoll der Elektroroller bei nur leichter Manipulation des Gashebels reagiert. Steve Bauen, der zuständige Berufsbildner, merkt schmunzelnd an: «Am Anfang nannten ihn aufgrund seines Aussehens viele den ‘Rollator’». Doch schnell verbreitete sich Begeisterung unter den Mitarbeitenden, denn gemäss Bauen sei das Fahrzeug ein verlässlicher Partner im Alltag. So muss der DXP nicht jedes Mal mit Kraftaufwand auf den Ständer gehievt werden, was – je nach Tour, Beladung und Kraft des Fahrers – früher regelmässig zu Muskelkater führte. Besonders für zierliche Menschen ist das neue Fahrzeugmodell eine Entlastung. Auch kommt es im Gegensatz zum Vorgängermodell «Piaggio Liberty» automatisch zum Stillstand, sobald sich der Fahrer vom Sessel hebt. Dies reizt, das Fahrzeug nur noch durch gelassenes Aufstehen anzuhalten. Doch hier ein mahnender Blick des Berufsbildners: «Das Aufstehen beim Fahren ist verboten, denn die damit verbundene Abbremsung kann zu einem Sturz vom DXP führen». Schliesslich seien Postangestellte Vorbilder im Strassenverkehr.

Die Lernende Jessica übt das Kuppeln des Anhängers an das Zustellungsfahrzeug «DXP».

Die Lernende Jessica übt das Kuppeln des Anhängers an den «DXP».

Doppelt ökologisch

Die Elektroroller der Schweizerischen Post fahren zu 100% mit zertifiziertem Ökostrom aus der Schweiz (Zertifikat «naturemade star») und benötigen rund sechs Mal weniger Energie als ein Benzinroller. Damit spart die Post jährlich 733 Kilogramm CO2 pro Fahrzeug, dies entspricht rund 4400 Tonnen CO2 für die gesamte Flotte im Jahr. Sobald die Akkus nach rund sieben Jahren durch die täglichen Lade-Entlade-Vorgänge 20% ihrer Speicherkapazität verloren haben, werden sie ersetzt. Die ausgedienten Akkus erhalten ein zweites Leben als Speicher von Solarstrom (siehe nachstehende Box). Damit ist die grösste Elektroroller-Flotte Europas doppelt nachhaltig unterwegs.

Keine Nostalgie

Nicht nur die mühelose Bedienung des Fahrzeugs macht den Alltag der Zustellerinnen und Zusteller der Post leichter. Der DXP ist auch sicherer. Zwar können mit dem DXP Kurven weniger schnell gefahren werden, doch gerade bei Regen oder im Winter geben die zusätzlichen Räder den nötigen Halt auf der rutschigeren Strasse. Eine weitere Entlastung ist die automatische Parkbremse, die auch bei einer 30%-Steigung dafür sorgt, dass das Fahrzeug stillsteht. Ob Anwohner das knatternde «Post-Töffli» vermissen? Steve Bauen winkt ab: «Die Leute trauern dem Fahrgeräusch nicht nach». Sie seien eher überrascht, wie leise sich die dreirädrigen Fahrzeuge bewegen. Auch andere Unternehmen haben mittlerweile die Vorteile der Zustellungsfahrzeuge der Schweizerischen Post entdeckt: Ähnliche, den spezifischen Bedürfnissen angepasste Kyburz-Modelle, stehen auch für die Stadtwerke Winterthur, die Gemeinde Emmen oder sogar für die Postzustellung in Norwegen und Neuseeland im Einsatz.

Die Lernende Junia ist erst 15 Jahre alt und muss sich bis zur Rollerprüfung noch ein paar Monate gedulden, deshalb darf sie vorerst nur mit dem Elektrovelo in den Zustelldienst. Doch bei ihr ist die Vorfreude schon gross: «Der DXP ist sicher cool zum Fahren. Gemütlich. Und wenn man vorsichtig fährt, kann ja (fast) nichts mehr schief gehen».

Die Lernenden Jessica und Junia bei ihrer Erstfahrt mit den Zustellungsfahrzeugen der Post.

Die Lernenden Jessica und Junia bei ihrer Erstfahrt mit den Zustellungsfahrzeugen der Post.


Pilotprojekt: Zweites Leben für Roller-Akkus

Zusammen mit weiteren Partnern lancierte die Post das Projekt «Ein zweites Leben für Postrollerbatterien»: Ausgediente Akkus von Elektrorollern erhalten einen weiteren Einsatz als stationäre Stromspeicher in Gebäuden mit Solaranlagen. Der erste Pilotspeicher wurde im Januar 2017 in der Umwelt Arena in Spreitenbach (AG) eingebaut. Im Mai 2017 installierte die Post einen zweiten Pilotspeicher im Postgebäude beim Bahnhof Neuenburg (NE). Dieser speichert den Strom der Solaranlage auf dem Dach und versorgt die Filiale selbst sowie die Batterien von Postrollern mit Energie. Die Entwicklung von Second-Life-Akkus mit dem zugehörigen Testprogramm gehört zu den Pilot- und Demonstrationsprojekten, mit denen das Bundesamt für Energie (BFE) die Entwicklung von sparsamen und rationellen Energietechnologien fördert und die Nutzung erneuerbarer Energien vorantreibt. Weitere Informationen zum Projekt mit ausgedienten Postroller-Akkus finden Sie hier.