Ein Liebesbrief an das Gelbe Büchlein
Eine Geburtstagstorte für das Gelbe Büchlein der Post hätte 110 Kerzen. Bereits seit 1910 tut es seinen Dienst für die Menschen in der Schweiz und hat auch in Zeiten der Digitalisierung noch immer seinen festen Platz in der Gelben Welt. Höchste Zeit für einen Liebesbrief…
Liebes Gelbes Büchlein
110 Jahre bist Du jung und hast noch kein graues Haar. Wegen Deines gelben Mantels nennen Dich alle liebevoll «Gelbes Büchlein». Dein richtiger Name ist aber eigentlich «Empfangsscheinbuch», «livret de récépissés» oder «libretto di ricevute». Auf diesen Namen hat Dich ursprünglich auch Deine Mutter, die eidgenössische Postverwaltung, taufen lassen. Laut dem Mitteilungsblatt des Schweizerischen Ganzsachen-Sammler-Vereins geht Dein Stammbaum bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Deine Vorfahren hatten noch viele kleine Cousins und Cousinen in den kantonalen Postverwaltungen.
Damals wie heute ist Dir vor allem eines wichtig: Du hast es gerne ordentlich und willst stets den Überblick behalten – sprich: Du willst für Deine Besitzerin oder Deinen Besitzer einfach nur nützlich sein. Von Natur aus bist Du eine Sammlernatur. Stempel magst Du am liebsten. Beim Einzahlungen tätigen am Postschalter und Briefe oder Pakete aufgeben, blühst Du so richtig auf. Deine verlässlichen Charaktereigenschaften kommen auch zum Vorschein, wenn Dein Frauchen oder Herrchen etwas bestätigen oder beweisen muss. Denn durch Dich haben Deine Besitzer alle Bestätigungen von Einzahlungen an einem einzigen Ort beisammen.
Du bist eine verlässliche Partnerin, wenn es darum geht, die eigenen Finanzen im Griff zu behalten. Das bestätigt auch Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin des Dachverbandes Budgetberatung Schweiz. «Der einfache Zugang zum eigenen Geldleben ist nicht zu unterschätzen. Es erhöht die Möglichkeit, ein gutes Gespür für die eigenen Finanzen zu entwickeln, da dafür mehrere Schritte notwendig sind. Einzahlungsscheine ordnen, eintragen, zur Post bringen, abstempeln lassen… das hilft beim Verinnerlichen der Zahlen.» sagt sie. Dabei spielt es gar keine Rolle, welches Alter Deine Besitzerin oder Dein Besitzer hat.
Und doch verschwindet das bekannte Geräusch des Stempels allmählich aus den Postfilialen, wenn er auf Deine Seiten trifft. Du hast Konkurrenz erhalten. Viele Menschen tragen Dich am Zahltag nicht mehr in die Postfilialen, um ihre Rechnungen zu bezahlen und sie mit dem Stempel quittieren zu lassen. Sie begleichen diese nun online und geräuschlos. So sind seit dem Jahr 2010 Deine Verkaufszahlen um die Hälfte zurückgegangen. Hat die Post damals noch 341’297 Exemplare von Dir verkauft, waren es 2019 aber immerhin noch 164’760 Stück. Der Rückgang deckt sich mit den anderen Beobachtungen der Post: Immer seltener erledigen Kundinnen und Kunden ihre Postgeschäfte am Schalter. Die sinkenden Zahlen im Kerngeschäft von PostNetz sprechen eine deutliche Sprache und die Abnahme dürfte sich in Zukunft weiter verschärfen.
So oder so sei Dir für Deine jahrhundertelangen Dienste gedankt. Du ermöglichst uns ein Stück Wahlfreiheit. Wie sagt es die Budgetexpertin so schön? «Das Gelbe Büchlein bedeutet: Ich habe eine Alternative zum Online-Dasein und ich kann auch ohne Handy und Computer funktionieren.» Wer hätte das gedacht!
Facts & Figures
Verkaufte Exemplare 2019: 164’760 Stück
Herausgeber: Post CH AG
Hersteller: Stämpfli Verlag AG, Bern
Anzahl Seiten: 128
Anzahl Einträge: 300
Chronologie des Gelben Büchleins
- Seit 1910 gibt es das Gelbe Büchlein der Post, wie wir es heute kennen. Die eidgenössische Postverwaltung bringt es vier Jahre nach der Einführung des damaligen Postcheckdienstes heraus.
- Das Empfangsscheinbuch ist ursprünglich hell- bis weisslichgrün. Seine gelbe Farbe erhält es im Jahre 1924, einige Jahre bevor die gelbe Farbe 1939 das Merkmal der Schweizerischen Post wird.
- 1997 wird die PTT liberalisiert und die Postdienstleistungen der Schweizerischen Post übertragen. Das Gelbe Büchlein erhält das neue Logo. Die «Unterschrift des Schalterpersonals» löst die «Unterschrift des Schalterbeamten» ab.
- Seither passt die Post das Gelbe Büchlein stetig etwas an: Es erhält eine Europäische Artikelnummer (EAN-Code). Aufgehobene Produkte werden nicht mehr aufgeführt (z. B. Baranweisungen). Neu dazu kommen Beispiele für den Eintrag von Einzahlungen oder die Aufgabe eines eingeschriebenen Paketes. Nicht zuletzt erhält es weisse, anstelle gelber Inhaltsseiten sowie einen weichen Umschlag wie ein Taschenbuch.