Die Adresse steht nur ganz am Anfang und am Ende der Lieferkette
«GAS», «FRA» «CEC», «PRI», «MIL» und «DCT+SI 16:30-21», «99.01.000111.00320321» oder am untersten Briefrand aufgesprayte, filigrane, orangene Strichcodes: Die Fülle und Vielfalt von Klebern und Zeichen auf Postsendungen scheint schier endlos. Was steckt hinter den Abkürzungen, Aufdrucken, Zeichen und Strichcodes, welche die Pakete und Briefe auf ihrem Verarbeitungsprozess anziehen, wie Motten das Licht? Eine Spurensuche und damit hoffentlich etwas Licht ins Dunkle.
Ganz offensichtlich verbergen sich im Alltäglichen, Gewohnten und Kleinen ganz neue überraschende Welten, wer sich die Zeit nimmt, genauer hinzusehen und seiner Neugierde nachzugehen. Auch beim Anblick von profanen Paketen und Briefen. So wie sie die Post in diesen Tagen in einer Grössenordnung von 900’000 Paketen und über 14 Millionen adressierten Briefcouverts pro Tag an die gewünschten Adressen bringt.
Aber wie findet mein Paket oder mein Brief bei dieser Grössenordnung von Sendungen den effizientesten Weg vom Aufgabeort mit Hausservice in Corippo im Tessin ins lauschige Soubey am Ufer des Doubs im Kanton Jura? Dies alles über die zahlreichen Förderbänder und Ableitungen? Als Militär- oder Gratis-Blindenpost, eingeschrieben und versichert? Über Sortieranlagen, Logistik- und Distributionszentren. Unzählige Umladestationen mit Zug, Sattelschlepper, Lieferwagen und elektrischen Dreiradroller? Als gefährliches Gut sofort erkennbar mit entsprechend empfindlichem Inhalt? Immer im richtigen Container, Rollbehälter oder Plastikbox? Und: Wie weiss der Pöstler, die Pöstlerin am Ende in der Zustellung, dass ich das Paket um 10.30 Uhr wünsche und die kostbaren Weinflaschen im Karton sorgfältig behandelt werden müssen?
Die korrekte Adresse des Empfängers ist das «A» und «O» einer Sendung. Auch heute noch. Digitalisierung hin oder her. Die wahren Orientierungshelfer und Weichensteller für alle Briefe und Pakete in der Sortierung und im Transport durch die Pöstlerinnen und Pöstler sind aber unzählige Kleber, Abkürzungen, Nummern, Strich-Codes, Beizettel und Aufdrucke.

Ob zerbrechlich, überaus schwer, Zustellung am Folgetag oder als Militärsendung: Ungefähr 120 Zeichen, Codes oder Kleber geben Postmitarbeitenden Auskunft, wie mit dem Paket umzugehen ist.
Schwarzer Strichcode
Augenfällig sind bei Paketen und eingeschriebenen Briefsendungen die schwarzen Strichcodes auf der jeweiligen Adressetikette. Hinter den dickeren und schlankeren schwarzen Balken und 18 Ziffern verstecken sich nicht etwa datenschutzrelevante Empfängerangaben über die Kundinnen oder Kunden. Barcodes umfassen vielmehr einfache Angaben zu den Auftraggebern der Sendung, die jeweilige Sendungsnummer und die ausgewählte Dienstleistung. So trägt der kleinere Barcode Informationen, welche Leistungen die Post zu erbringen hat. Beispielsweise, wie schnell oder auf welche Weise eine Sendung beim Empfänger eintreffen soll.
Beim grossen Barcode verraten die ersten zehn Ziffern Angaben zum Produkt und die Zahlenkombination definiert den Absender für die Rechnung Ende des Monates. Es folgt die achtzeilige, individuelle Sendungsnummer. Jeder registrierte Geschäftskunde kann so unter seiner Kundennummer innerhalb von 60 Tagen genau 99’999’999 Paketsendungen eine Sendungsnummer zuordnen, ohne dass die gleiche Kombination ein zweites Mal für eines seiner Pakte verwendet wird. Trotz des gestiegenen Paketaufkommens im boomenden E-Commerce mit über 200 Millionen Paketen im letzten Jahr ist da mengenmässig also noch reichlich Luft nach oben.
Orangener Strichcode
Wie bei den Paketen tragen auch Briefe einen Strichcode. Vielleicht etwas weniger augenfällig im dezenten Orange, zumeist ganz am unteren Rand des Umschlages platziert. Lesen die Scanner im Sortierzentrum die Empfängeradresse, sprayen sie sekundenschnell den Strichcode für die folgenden Verarbeitungsprozesse auf. Dieser enthält weitaus mehr Angaben als bei den Paketen. Beispielsweise den genauen Zeitpunkt der ersten Erfassung inklusive Sortiermaschinennummer, die Postleitzahl der Briefaufgabe und des Zielortes, Angaben zum Bezirk der Zustellboten mit dem genauen Zustellort.
Die Kleber
Gut rund 120 unterschiedliche Beschriftungen für rund 60 Dienstleistungen kennt die Post in der Verarbeitung und Zustellung von Paket- und Briefsendungen. Darunter eine grosse Anzahl von Klebern, die von Geschäftskunden und Mitarbeitenden im Verarbeitungsprozess direkt auf das Paket geklebt werden. Sie weisen beispielsweise nebst dem Barcode darauf hin, dass es sich um eine eingeschriebene Sendung (SI) handelt, diese zusätzlich versichert ist (AS), es um Militärpost geht (MIL), zerbrechliche Inhalte eingepackt sind (FRA) oder Weinflaschen (VIN) auf dem Weg zu ihrem Geniesser sind. Symbole wie ein Mond oder ein Blitz zeichnen Expresssendungen aus, die erst am Abend aufgegeben bereits am Folgetag bis 9 Uhr beim Empfänger, oder sogar am selben Tag eintreffen müssen. Pakete für die Samstagszustellung (SA), gekühlte Sendungen (COLD oder AMB) aber auch zurückgeschickte Bestellungen (GAS) oder Blindensendungen (CEC) tragen ebenfalls eigene Kleber. Allein für die Zustellung zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es bei der Post für Briefe und Pakete gegen 40 sogenannte «Zeitfenster-Zustellung (ZFZ)»-Kleber.
Abgeschafft hat die Post den einstigen Kleber zur Weihnachtszeit «Erst an Weihnachten öffnen». Der boomende E-Commerce-Paketverkehr, die Cyber-Weeks mit Black Friday und die damit einhergehende Selbstverständlichkeit von Paketen im Milchkasten hat den Nostalgie-Kleber im 2017 buchstäblich von den Postpulten weggefegt.

Etwas weniger bunt und auffällig zeigen sich die Briefe: Sie tragen die Verarbeitungszeichen der Post mehrheitlich in einem dezenten Strichcode in Orange am unteren Rand des Umschlages
Hinweis auf Gefahren
Sendungen mit spezielleren Inhalten tragen für eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Verarbeitung einen der gut 15 Gefahrengut-Kleber. Sofern der Transport über den Postkanal gesetzlich überhaupt zugelassen ist. Dies betrifft in begrenzten Mengen und in spezieller Verpackung beispielsweise Farben, Verdünner, Reinigungsmittel, Autobatterien aber auch Geräte mit Lithiumbatterien. Gebrauchte medizinische Instrumente und Geräte sowie medizinische Laborproben tragen einen für die Mitarbeitenden ersichtlichen Kleber mit dem Hinweis auf die besondere Kühlweise mit dem zu deklarierenden Trockeneis oder Kohlendioxyd.

«Grüsse» auf dem Paket aus der Sortierung in Urdorf: Pakete, die im Paketzentrum eintreffen werden gescannt und mit der sogenannten Sortier-Etikette versehen. Anhand dieser Etikette erkennen die Mitarbeitenden auf den ersten Blick, wo genau ein Paket hingeschickt werden und welcher Pöstler dieses zustellen soll.
Bravo: der überklebte Kleber
Ökologisch sinnvoll werden gebrauchte Kartonschachtel nicht nur einmal sondern mehrmals eingesetzt. Damit auch die richtigen Strichcodes und Kleber die aktuelle Sendung durch den neuen Prozess korrekt steuern, überkleben Kundinnen und Kunden die alte Adresse sinnvollerweise mit der neuen Paketetikette und streichen weitere Kleber oder Aufschriften deutlich durch.

Auch diese Aufschrift gab’s einst bei der Post: Ein Brief aus dem als «Seuchengebiet» definierten Fraubrunnen im Kanton Bern, als 1919/1920 die Maul- und Klauenseuche grassierte. (Museum für Kommunikation, Bern)
Nur noch QR-Codes?
QR Codes wie im Zahlungsverkehr tönen für jeden Logistiker verlockend. Strich- und Barcodes auf den Paketen oder Chips auf Containern oder Sammelbehältnissen sprechen davon und sind bereits heute eine Erleichterung zur digitalen Ortung und Identifizierung von Sendungen auf ihrem Verarbeitungsprozess. Allerdings sind dazu jedes Mal entsprechende Scanner und eine Verbindung ins System nötig, damit die Sendung und deren Daten erkennt werden können. Dies ist mit einem raschen Blick nicht möglich – gerade bei einer fehlgeleiteten Sendung, bei einer Beschädigung oder gar einem Unfall mit einer Gefahrengut-Sendung – für Rettungskräfte ein entscheidender Moment. Bei der Post gibt es zurzeit kein Projekt in der Pipeline, das vollständig auf QR-Codes umstellen will. Postmitarbeitende sind im Prozess über die vielen Stationen darauf angewiesen, dass sie spezielle Kundenwünsche bei ihrer Arbeit mit Paketen und Briefen rasch mit den Augen erkennen und entsprechend einordnen können.
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