Das Paket kommt auch dank Fettpresse und Staubsauger

Über 300'000 Pakete gleiten in Härkingen täglich über die Förderanlagen des Paketsortierzentrums. Damit nirgends etwas quietscht, stecken bleibt oder durch einander gerät, dafür sorgen täglich gut 30 Betriebstechniker. Ein Einblick, wie sie bei voller Fahrt die Räder wechseln.

Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Seilpark hoch in den Baumwipfeln des Waldes lässt sich nicht abstreiten, wer im Paketzentrum Härkingen den Kopf in den Nacken legt und mit den Augen den Passerellen und Galerien hoch über und mitten in den Förderanlagen der Paketsortierung folgt. Während unten Fahrzeuge mit langen Kompositionen von Rollboxen voller Pakete herumwuseln und Mitarbeitende Pakete aus den Lastwagen stemmen und auf die Förderbänder hieven, arbeiten zwölf Meter höher meist unbemerkt die Betriebstechniker am Unterhalt und der Wartung der Sortieranlage. Tatsächlich gibt es hier auf der 2100 Meter langen Stahlkonstruktion mit Elektromotoren, Förderbändern, Weichen und jede Menge Kabelbäumen, die verschlungensten Pfade mit unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden und Herausforderungen. Doch braucht es im

Gut 12 Meter über dem Boden beginnt im Paketzenter Härkingen die Welt der Betriebstechniker mit ihren Stegen und Rampen auf dem Stahlkoloss für die minutenschnelle Wartung der Sortieranlage.

Gut 12 Meter über dem Boden beginnt im Paketzenter Härkingen die Welt der Betriebstechniker mit ihren Stegen und Rampen auf dem Stahlkoloss für die minutenschnelle Wartung der Sortieranlage.

Gegensatz zu den Seilparks als Nervenkitzel für die Freizeit auf diesem Industrieparcours weder eine Bewilligung des Erziehungsberechtigten für unter 18jährige noch gibt es hier «Tyroliennes» und berauschenden Seilbahnfahrten in die hintersten Ecken der drei Fussballfelder grossen Halle. Statt «Turn- oder Wanderschuhen als Obligatorium» im Seilpark tragen hier die Werktätigen in luftiger Höhe des Paketzentrums die vorgeschriebenen Stahlkappenschuhe. Dem Hitzestau knapp unter dem Sheddach mit Sonnenkollektoren begegnen sie mit kurzen Hosen und dünnen T-Shirts. Durch Gummimatten auf den Gitterpodesten geschützt rollen die Mitarbeitenden bisweilen auf kürzestem Weg unter den Förderbändern durch oder überwinden mit Riesenschritten die unterschiedlichsten Niveaus der Galerien. In der Regel mit zwei Stufen auf einmal.

Kein Spassparcours

Ein Spassparcours ist es tatsächlich nicht, was die Equipe von gut 30 Betriebstechnikern hier täglich in grosser Höhe absolviert: Vielmehr sind sie getrieben vom Takt der Kleinststörungen, gemeldet von über 2600 Sensoren und Lichtschranken der Anlage bis hin zu Teilunterbrüchen für Reparaturen oder Ersatzteil-Auswechslungen innerhalb von wenigen bis 15 Minuten. Denn das gierige Stahlmonster wird derweil weiter gefüttert mit Paketen unterschiedlichster Grösse und Gewicht aus Containern der 131 Lastwagen-Andockstellen oder von den Perrons der sechs Bahngeleise. Mit sechs bis neun Stundenkilometern gleiten die Karton-, Kunststoffkisten oder in Plastik eingeschweisste Bestellungen unterschiedlichster Grösse und Farbe auf gut 2400 Kippschalen durch die Halle. Sie passieren gegen 30 Ganzkörperscannern, welche ihren Weg anhand des Adressstrichcodes auf der Anlage verifizieren, kontrollieren und weiter ausrichten. Weichen mit bis zu 36 Rollen ändern ihnen wie von Geisterhand gesteuert die Richtung bevor sie nach einem Durchlauf von gut acht Minuten auf eine der 352 Rutschen landen mit der Destination des Empfängers.

Kurze Warteschlaufe

«Räderwechseln bei voller Zugsfahrt» oder «Operation am schlagenden Herzen» nennt Daniel Büttler, als Leiter die Arbeit seines Teams mit gut sieben bis zehn Betriebstechnikern pro Arbeitsschicht. Adlerhorste gleich sind die technischen Allrounder mit ihren Computern und Bildschirmen verteilt auf der Anlage und strömen in ihren Bereich aus, sobald der Bildschirm ihnen rot unterlegt Störungen meldet.

Wie Adlerhorste in Bäumen verteilt befinden sich auf der Anlage Computerstationen, in denen im Minutentakt die Störungsmeldungen zu den Betriebstechnikern gelangen.

Wie Adlerhorste in Bäumen verteilt befinden sich auf der Anlage Computerstationen, in denen im Minutentakt die Störungsmeldungen zu den Betriebstechnikern gelangen.

Das kann ein Temperaturanstieg eines der gut 2400 Elektromotoren der Förderbänder sein, ein durch ein schweres Paket ramponierter Reflektor in einer der unzähligen Lichtschranken. Oder es ist ein kurzer Stau aufgrund von verhedderten Plastikgebinden, die auf dem blanken Metall aufgrund der zunehmenden Luftfeuchtigkeit in der Halle festkleben statt gleiten. Per Funk untereinander verbunden organisieren sich die Mitarbeitenden Ersatzteile aus dem Lager, befreien mit Greifstangen die kleinen Staus vor Ort oder rücken verschobene Abgrenzungsstangen wieder an den richtigen Standort. Wo nötig, wird das jeweilige kurze Teilstück der insgesamt 670 Förderbänder per Funk für wenige Sekunden bis Minuten stillgelegt, damit die Techniker ungehindert Hand anlegen können – die Pakete drehen derweil abgeleitet in ihrem neuen Abschnitt eine Schlaufe von wenigen Minuten.

Wichtiges Utensil nebst Werkzeug für die Anlage: Per Funk verständigen sich die Betriebstechniker über Fortlauf der Reparatur, Unterstützung oder benötigte Ersatzteile aus dem Ersatzteillager.

Wichtiges Utensil nebst Werkzeug für die Anlage: Per Funk verständigen sich die Betriebstechniker über Fortlauf der Reparatur, Unterstützung oder benötigte Ersatzteile aus dem Ersatzteillager.

Schmieren, reparieren und Staub saugen

Tagsüber in ruhigeren Zeiten der Sortierung der Economy-Pakete mit einem grösseren Zeitfenster gehen die pro Schicht gut 4500 rot unterlegten Meldungen und Warnungen der Anlagesensoren etwas zurück. Dies gibt den Mitarbeitenden Spielraum, die vielen beweglichen Teile der Anlage wie Gelenke und Weichen, Rollen und Scharniere zu schmieren und zu fetten. Grössere Auswechslungen von Teilen der Anlage stehen an, wenn die Sortierung stillsteht. Das tut sie in den Nachstunden nach Mitternacht bis fünf Uhr. In der Vorweihnachtszeit gar nur für ein bis zwei Stunden. Fettpresse, Schraubenzieher, Lötkolben, Engländer oder Abisolierzange sind Werkzeuge, welche die Betriebstechniker in ihrer Werkstatt wie auf der Anlage als Allrounder ebenso verwenden können müssen, wie etwa die industriellen Staubsauger. Denn die laufenden Maschinen und die seit Jahresbeginn in Härkingen bereits sortierten, gegen 60 Millionen Kartonpakete wirbeln ganz mächtig Staub auf. Staub, der in die kleinsten Ritzen gelangt und ohne die sorgfältige Pflege durch die Mitarbeitenden das mächtige Sortiermonster und damit den stetigen Paketstrom von der Online-Plattform zum wartenden Kunden zum Erliegen bringen könnten.

 

Daniel Büttler richtet als Teamleiter der Betriebstechniker eine verschobene Stange zurecht, damit die Pakete im gewünschten Korridor präzise durch die Anlage gleiten.

Daniel Büttler richtet als Teamleiter der Betriebstechniker eine verschobene Stange zurecht, damit die Pakete im gewünschten Korridor präzise durch die Anlage gleiten.

 

Erwärmt sich einer der gut 2400 Elektromotoren im Zentrum übers übliche Mass, flimmert die Meldung umgehend auf die Schirme der Techniker.

Erwärmt sich einer der gut 2400 Elektromotoren im Zentrum übers übliche Mass, flimmert die Meldung umgehend auf die Schirme der Techniker.

 

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